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Frische Finanzbrise

© SPIESSER | Matthias Popp
Die Steuererklärung - ein Wort, das bei vielen wohl zu Schweißausbrüchen führt. Doch wie ist es, sich jeden Arbeitstag freiwillig mit diesem Thema auseinanderzusetzen? SPIESSER-Autorin Stephanie wollte das wissen und traf den 22-jährigen Finanzbeamten Paul im Finanzamt Dresden. Ein Besuch zum Vorurteile abbauen.
 
Mit guter Laune starte ich meinen Weg zum Finanzamt Dresden-Nord, denn heute geht es nicht um mich und meine Finanzen. Ich möchte heute meine persönlichen Vorurteile zwecks schnöden Anzugträgern und verstaubten Büros über den Haufen werfen. Schon bei der Ankunft bin ich ganz schön baff. Das Gebäude und die Büros sind hell, modern und offen eingerichtet. Von verstaubten Aktenbergen keine Spur! Freundlich werde ich begrüßt und lerne Paul kennen. Der 22-Jährige arbeitet bereits seit fünf Jahren im Finanzamt.

Welcher Karriereweg soll es sein?

Paul kommt ursprünglich aus dem Erzgebirge, einem kleinen Dorf nahe Freiberg. Kurz nach der Schule entschied sich der damals 16-Jährige für eine Ausbildung im mittleren Dienst der Steuerverwaltung. Nach einer Dauer von 24 Monaten, wovon acht Monate am Ausbildungszentrum in Bobritzsch stattfanden, hatte der junge Mann den Abschluss als Finanzwirt in der Tasche.

»Schon zu meiner Schulzeit habe ich einige Praktika gemacht«, erinnert sich Paul. »Ich habe in verschiedene Berufe reingeschnuppert, zum Beispiel bei VW im Autohaus oder bei OBI im Baumarkt. Dabei habe ich gemerkt, dass die handwerklichen Berufe nicht so meins sind. Ich konnte mir eher eine Tätigkeit vorstellen, die im Büro, im Kontakt mit Menschen und sehr kommunikativ ist.«. Nach weiteren Praktika im buchhalterischen Bereich begann Paul eine Ausbildung beim Finanzamt in Chemnitz, nach seinem Abschluss wechselte er zum Finanzamt Dresden-Nord. »Ich war zunächst 2,5 Jahre in der Arbeitnehmerstelle. Das ist die sogenannte Veranlagung von Arbeitnehmern und Rentnern. Seitdem, also seit ca. zwei Jahren, bin ich in dem Bereich der sonstigen Steuerpflichtigen, das sind Einzelunternehmen, Freiberufler und Selbstständige«, fasst Paul zusammen.

Steuerthemen den ganzen Tag

Neugierig geworden, hake ich nach: Wie muss man sich so einen Tag im Finanzamt vorstellen? Paul erzählt mir, dass sein Tag mit Finanzkassen-Tätigkeiten beginnt. Das bedeutet, dass er Auszahlungen, Rückstände oder Umbuchungen bearbeitet. Danach führt ihn sein Weg in die Poststelle, zum Bearbeiten der eingegangenen Schreiben. Pauls Haupttätigkeit besteht aber aus der Veranlagung der Steuerfälle. Paul erklärt: »Ich prüfe diese auf Richtigkeit und Vollständigkeit und führe unter anderem Rücksprachen mit anderen Stellen, um die Angaben zu prüfen. Wenn es Fragen gibt, besprechen wir diese im Team.«

Dieser Teil ist auch Pauls Lieblingsbeschäftigung: »In der Steuererklärung finden sich viele interessante Zusammenhänge. Das ist echt spannend! Gerade bei Unternehmen erfährt man so, welche Umsätze oder Ausgaben die haben.« In seinem Bereich bearbeitet Paul drei verschiedene Steuerarten, die Einkommenssteuer, die Umsatzsteuer und die Gewerbesteuer.

Ich merke schnell, langweilig ist der Job als Finanzwirt nicht. Paul bestätigt mir, dass er während seiner Ausbildung in viele verschiedene Bereiche reingeschnuppert hat. »Besonders beeindruckend war dabei die Erfahrung, Steuerforderungen einzutreiben. So ein Erlebnis während seiner Ausbildungszeit vergisst man nicht«, erzählt der 22-Jährige. Während der Ausbildungszeit ist man zudem Beamter auf Widerruf. Bei erfolgreichen Leistungen kann man später sogar auf Lebenszeit verbeamtet werden.

Wenn man schon mal einen Finanzbeamten vor sich hat, muss man die Chance auch nutzen. Ich möchte von Paul wissen, welche Veränderungen es aktuell im Bereich Steuern gibt. Da muss Paul nicht lange überlegen: »Brandaktuell ist die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Die 5,5 Prozent betreffen fast jeden. Auch die Bon-Pflicht, welche in diesem Jahr eingeführt wurde, beschäftigt Bürger und Unternehmen in letzter Zeit sehr stark.“ Paul gibt zu, dass das Steuersystem sehr komplex sei und es deshalb schwierig wäre, da Flexibilität reinzubringen. „Es muss ja die ganze Masse von Bürgern abdecken und jeden gleichbehandeln«, gibt er zu bedenken.

Digital, modern, individuell

Im Zuge der Digitalisierung bemerkt Paul kleine Unterschiede. Es gibt immer mehr elektronische Anträge und die kostenlose Steuersoftware ELSTER kann jeder online nutzen. Paul gibt einen scharfen Tipp: »Es ist auf jeden Fall gut, eine Steuererklärung zu machen. Wenn man in einer Mietwohnung wohnt, kann man zum Beispiel Handwerker-Leistungen absetzen. Ein gewisser Erstattungsbetrag kommt meist rum, auch – und das wissen die wenigsten – in Ausbildungs- und Studienzeiten.« Modern ist Pauls Arbeitsplatz nicht nur von außen. In dem Arbeitsbereich des Finanzwirts gibt es die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten und durch die Gleitzeit ist der Arbeitsalltag sehr flexibel und individuell gestaltbar. Zum Abschluss möchte ich noch wissen, ob Paul gerne im Finanzamt bleiben möchte. Er zögert keine Sekunde: »Na klar! Finanzen können auch Spaß machen, sonst wäre ich nicht mehr hier!«

Erschienen 2020 im Spiesser 186. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Text: Stephanie Schulze
Fotos: Matthias Popp

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